Erziehung & Beziehung
"DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN MENSCH UND HUND IST EIN GEFÜHL UND KEINE FORMEL"
Andreas Ohligschläger




Wenn es um das Thema Hundeerziehung geht, scheiden sich die Geister. Fragt man Hundehalter nach Erziehungsmethoden, zeigt er uns viele Möglichkeiten auf, damit der Hund für seine jeweiligen Bedürfnisse funktioniert.
Wir können Hunde erziehen, aber was müssen sie wirklich können?
Hunde sollen vernünftig an der Leine laufen. Hunde sollen hören, wenn wir sie rufen. Hunde sollen keine Menschen und andere Hunde belästigen. Hunde sollen mit uns Bus und Bahn fahren. Hunde müssen mit Kindern zurechtkommen. Hunde sollen keine Katzen jagen und nicht in den Nachbargärten markieren. Es gibt noch mehrere Dinge, die Hunde nicht tun sollen. Aber ist nicht die Frage, was soll ein Hund tun dürfen und können?
Natürlich muss ein Hund verschiedene Ansprüche in unserer Gesellschaft erfüllen, aber wenn man ein Hund-Mensch-Team sieht, bei dem der Hund ständig wie im Drill bei Fuß läuft, seine Umgebung nicht mehr wahrnimmt und nur noch auf seinen Menschen fixiert ist, hat dies viel mit Konditionstraining und Abhängigkeiten zu tun.
Ein Hund der nicht jagt, nicht an der Leine zieht, keine Leute anbellt, keine Jogger jagt, der einfach immer nur lieb ist. Das wünschen sich die meisten Hundebesitzer. Diese Hundertprozentige Verlässlichkeit kann man sich gerne wünschen. Sie ist in manchen Fällen realisierbar, wenn der Mensch und der Hund in einer gesunden Beziehung zueinander stehen. Jeder, der eine längere Zeit mit einem Hund zusammenlebt, wird wissen, dass Respekt und Vertrauen auf Gegenseitigeigkeit beruhen und Mensch und Hund genau wissen, wo ihre Freiheiten und Grenzen liegen.
DIE WICHTIGSTEN REGELN DER ERZIEHUNG IM ÜBERBLICK
1. WILLST DU GELTEN, MACH DICH SELTEN
Das wohl wichtigste Bedürfnis eines sozialen Rudeltieres ist eine klare Sozialstruktur und eine sichere Position in selbiger.
Hunde streben nicht danach, die Nummer 1 zu sein, wollen sich aber in ihrer beliebigen Position und Aufgabe entspannt wissen. Dies fällt ihnen im Zusammenleben mit den Menschen wiederum oft schwer, weil Hunde in der heutigen Gesellschaft oft behandelt werden wie Prinzen und Prinzessinnen und ihnen zwar einerseits viel Liebe, schicke Halsbänder und weiche Bettchen geschenkt werden, es aber andererseits an echter Beziehung fehlt. Hunde wollen vor allem in heiklen Situationen einen Menschen haben, an dem sie sich orientieren können. Ein wichtiger Aspekt, den die Menschen jedoch dabei vergessen oder nicht zielführend umsetzen, ist die Ignoranz.
Hunde beobachten ganz genau, wenn sie in einem neuen zu Hause sind, wer sich wie bewegt und wer quasi das sagen hat.
Im Zusammenleben mit uns Menschen würde das zum Beispiel bedeuten, dass ein Hund den Menschen anstupst, um gestreichelt zu werden, mit durchdringenden Blicken doch ein Leckerli aus der Jackentasche bekommt oder vor der Terrassentür winselt, um hinausgelassen zu werden.
Aber auch draußen checken Hunde – bewusst oder auch unbewusst ab, wie manipulierbar ihre Menschen sind. Sie ziehen an der Leine, um an etwas zu schnüffeln, markieren hier und da, scharren dort und entscheiden selbst, wann es Zeit ist weiterzugehen. Hunde lernen dadurch, dass Menschen auf sehr einfache Art und Weise lenkbar sind und sie doch sehr viele Fäden in der Hand haben.
Es gilt also, diese viel mehr zu ignorieren, wenn Dinge von ihnen
eingefordert werden. Das heißt dann:
NICHT ANSCHAUEN
NICHT ANSPRECHEN
NICHT ANFASSEN
Hinterfragt euch immer, wer hat agiert, wer reagiert?
Ganz nach dem Motto: Willst du gelten, mach dich selten!
2. DAS KLEINE 1X1 DER ERZIEHUNG
Natürlich strebt jeder nach einem gut erzogenen Hund. All jene, die keine Muße und Geduld für Erziehung aufbringen wollen, tun dies dann mit Sätzen wie "Bei mir darf er ganz Hund sein" und so weiter ab. Dabei geht es nicht um den eigenen Leidensdruck. Vielmehr ist es doch für den Hund wesentlich entspannender, in allen möglichen Situationen, die das Leben fordert, zu wissen, sich richtig zu verhalten.
Ein Hund, der z.B. nie gelernt hat Frust auszuhalten und dann im Gastgarten ständig bettelt und jammert, hat Stress. Ein Hund, der jeden Besucher wie verrückt anspringt, hat nicht nur positiven Stress. Ein Hund,
der nicht gelernt hat, alleine zu bleiben, leidet. Ein Hund, der nur an der Leine gehen
darf, weil er keinen verlässlichen Rückruf gelernt hat, ist in seiner Lebensqualität
sehr stark beschnitten.
Dem Hund also ein paar Basics wie einen sicheren Rückruf, ein festes Bleib-Signal
und ein lockeres an der Leine gehen beizubringen, sind wir Ihnen schuldig um das
Alltägliche Leben mit uns Menschen gut zu bewältigen und dennoch Spaß zu haben.
3. ABSCHALTTRAINING
Man sollte auch mit dem Hund üben, dass mal nichts passiert.
So wie es unseren Kindern schwerfällt, sich in den ersten Jahren still
am Tisch zu verhalten, so fällt es auch unseren Vierbeinern schwer.
Es kommt Frust auf. Dafür sollte man gerade mit ungeduldigen
Hunden mit einer eher niedrigen Frustrationstoleranz trainieren,
dass einfach auch mal nichts passiert, wenn sie angeleint sind.
Dafür bietet es sich an, sich mit einem guten Buch o. ä. auf einer
Parkbank/Garten zu setzen und einfach zu lesen. Unruhe,
Frustrationslaute wie Bellen, Jaulen oder Winseln oder
aufmerksamkeitsheischendes Verhalten werden einfach ignoriert.
Auch das warten will gelernt sein.
4. VERANTWORTUNG ABNEHMEN
Wenn der Hund nicht gerade als hoch spezialisierter Wachhund auf einem Grundstück gehalten werden soll, sollte man ihn aus dieser Verantwortung nehmen. In jedem Hund steckt ein gewisses Maß an territorialer und auch sozialer Motivation – bei einem mehr, bei einem anderen weniger.
Ersteres bedeutet das Bewusstsein für den Bereich, auf dem er lebt oder sich gerade befindet. Zweiteres beschreibt das Anschlussbedürfnis an Sozialpartner und kann bei einer sehr starken Motivation auch zum Schützen von Frauchen und Herrchen führen. Das klingt grundsätzlich nicht schlecht, wären da nicht die Alltagssituationen, in denen genau dieses Verhalten störend sein kann. Wenn der Hund zum Beispiel seinen Menschen auch neben dem Büroschreibtisch verteidigt oder keine Besucher mehr reinlässt. Insofern ist es wichtig, ihm zu suggerieren, dass Sie die Verantwortung für sich und auch das jeweilige Territorium haben.
Folgende Möglichkeiten gibt es:
-
beim Verlassen des Hauses/ oder raus in den Garten – erstmal vor
deinem Hund abchecken, nach Links und rechts schauen, ob die Luft rein ist -
und erst dann den Hund mitnehmen
-
ihm beibringen bei Besuch auf seinen Platz zu liegen
Hunde abschirmen die frech auf den eigenen Hund zugelaufen kommen
Das sind alles Sicherheitsaufgaben, die zu viele Hunde alleine übernehmen müssen
und dann trainiert werden müssen, weil sie angeblich "Problemhunde" sind.
Fakt ist dennoch, das Wachen und Beschützen ist unseren Hunden seit
Jahrhunderten angezüchtet worden, auch wenn es nicht bei jedem Hund
gleichstark ausgeprägt ist. Wegdenken können wir es ihnen nicht, aber wir können
ihnen zeigen, dass wir an vielen Stellen auch für sie in der Lage sind,
Verantwortung für Sicherheit zu übernehmen.
5. GRENZEN SETZEN UND LEBEN
Grenzen gehören definitiv dazu, so wie in jeder anderen Beziehung beim Menschen.
Eltern vereinbaren auch Regeln, die von den Kindern eingehalten werden müssen,
wenn diese nicht eingehalten werden, folgen Konsequenzen.
Und auch in zwischenmenschlichen Partnerschaften ist geregelt,
was man einander zugesteht und was z.B. Trennungsgründe sind.
Zwischen Hund und Mensch kann es leider keine verbalen Abmachungen geben,
daher sollten wir uns einmal mehr ansehen, wie Hunde das unter sich handhaben.
Angenommen Hund A interessiert sich für den Futternapf von Hund B, der noch nicht
ganz fertig gefressen hat. Kommt Hund A dann näher, wird ein souveräner Hund B erst
mal die Lefzen anheben, ihn über den nach untern gerichteten Nasenrücken fixieren und
anknurren. Im besten Fall reichen diese Signale aus. Zeigt sich der Hund jedoch davon
unbeeindruckt und kommt näher, wird Hund B deutlich abschnappen oder sogar einen
korrigierenden Schnauzbiss – über den Fang des anderen Hundes – verteilen. Damit wird es
in Zukunft reichen, wenn bei Unterschreitung einer gewissen Distanz nur noch die Zähne
gezeigt werden.
All das sollte auch der Mensch zu Beginn der Beziehung tun, um seine Grenzen festzulegen und einen Rahmen abzustecken. Jedoch sollten Menschen anstatt zu knurren oder die Zähne zu zeigen, doch lieber ein verbales Signal zu etablieren. Statt dem Hund über die Schnauze zu beißen, kann man einen sog. Schnauzgriff anwenden. Ein solches Abbruchsignal ist nicht nur natürlich, sondern kann auch im Ernstfall sogar lebenswichtig sein, wenn es z.B. um die Aufnahme von Giftködern geht.
6. TYPGERECHTE BESCHÄFTIGUNG
Wenn man sich einen Hund holt und eine bestimmte Rasse im Blick hat,
sollte man sich auch genau informieren, wofür diese Hunde mal gezüchtet
worden sind. Hunde hatten früher immer bestimmte Aufgaben, die in der
heutigen Zeit nicht mehr so relevant
sind, aber dennoch haben die Hunde immer noch diese Triebe. Die Hunde von
heute sind quasiarbeitslos, echte Aufgaben haben sie nicht mehr zu erfüllen.
Da kann es schon mal sein,dass ein Hund Langeweile bekommt und vielleicht
auch aus diesem Grund einer heißen Fährte nachgeht, um zu jagen und oder
Artgenossen anzupöbeln.
Hunde müssen aber auch nicht dreimal in der Woche zum Agility,
Dogdance oder ähnlichen gehen, um glücklich zu werden.
Im Gegenteil, zu viel Beschäftigung kann gerade bei sehr aktiven Hunden
kontraproduktiv sein und sie lernen dadurch nicht, auch mal zur Ruhe
zu kommen.
Man kann Hunden aber durchaus Aufgaben geben, wie zum Beispiel beim Spaziergang sie zwischendurch mal bei Fuß laufen zu lassen, an der Ampel abzuwarten oder ihnen ab und an mal Futter oder Beute für ein bisschen Nasenarbeit anzubieten. Dies sollte das tägliche Beschäftigungsprogramm sein.
Hunde müssen nicht nur körperlich ausgelastet werden, sondern auch geistig!
7. RUHE UND AUSZEITEN
Viele Hundebesitzer glauben, dass die Hunde immer Beschäftigt werden müssen.
Das ist ein Irrglaube. Klar soll man am Tag auch was mit ihnen unternehmen,
jedoch sollte man auch beachten, dass ein Hund nicht nach Action strebt,
es sei denn, wir gewöhnen es ihnen an.
Unsere Hunde benötigen bis zu 18 Stunden Schlaf am Tag, dabei sind Dösen
und Ausruhen natürlich mit eingerechnet. Der Anspruch sie permanent
beschäftigen zu müssen ist also falsch.
Lieber sollte man kleinere Beschäftigungen über den Tag verteilt anbieten.
Es ist auch wichtig, dass der Hund lernt, dass es auch mal sein kann,
dass an manchen Tagen nichts passiert.
Das Verlangen mancher Hunde, ständig was zu tun und nicht gut abwarten zu können, beruht sehr häufig auf dem Erziehungsfehler, mit Hunden nur aktive Dinge zu trainieren. Dass es aber bereits ab dem Welpen alter dazugehört, Hunden beizubringen andere Hunde zu sehen, ohne direkt Kontakt zu haben, oder mal Besucher hereinkommen zu lassen, ohne dass der Hund an vorderster Front begrüßt wird, nervt die Halter spätestens im Junghund alter. Da wird dann vor Frust gebellt oder sogar Frustrationsaggression gezeigt, weil es vorher ja immer selbstverständlich war, sein Verlangen einfach durchzusetzen.
8. SINNVOLLER SOZIALKONTAKT
Der Mensch ist der wichtigste Sozialpartner des Hundes.
Kein anderes Lebewesen kann einen Artfremden als zumindest gleichwertigen
Sozialpartner akzeptieren. Das soll aber nicht bedeuten, dass der Hund keine
anderen Hunde brauchen würden. Vor allem im Sozialisierungsprozess ist es
wichtig für Hunde, mit vielen anderen Hunden kontrolliert in Kontakt zu kommen,
um das eigene Sozialverhalten richtig zu entwickeln. Später,
wenn der Hund mit 2 - 3 Jahren wirklich erwachsen geworden ist,
müssen sie nicht täglich mit anderen Hunden in Kontakt treten.
Im Grunde reichen da ein paar nette Kumpels, mit denen sie auch vertraut spielen können. Von erwachsenen Hunden aber täglich zu erwarten, auf die Hundewiese zu gehen und dort mit anderen fremden Erwachsenen zu spielen, ist wieder ein Fall von Vermenschlichung, weil wir das von unseren Kindern auf dem Spielplatz ja auch so erwarten. Wir selbst gehen als Erwachsener aber kaum mit Spielkarten in den Park, um Fremde zu einer Partie Poker einzuladen, oder?






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